Mittwoch, 11. September 2013

Lilly Lindner - "da vorne wartet die zeit"

Wenn es eine Autorin gibt, auf derer Bücher ich voller Sehnsucht warte, dann ist das Lilly Lindner.
Seit ihrer ersten Veröffentlichung sehe ich Lilly als eine Hoffnungsträgerin am Literatur-Himmel, als eine der vielversprechendsten jungen Autorinnen im deutschsprachigen Raum. 




"Einsamkeit huscht durch die Straßen, Verlorenheit macht sich breit. Aber da hier die Zeit regiert, und da sie reagiert - auf jedes Geschehen, auf jeden Fehler, auf jeden Verlauf -, geht es trotzdem immer vorwärts. Kein Schmerz, der nicht wächst oder sich verringert, keine Angst, die nicht angreift oder sich zurückzieht. Kein Moment, der unverändert im Mittelpunkt steht. Keine Träne, die niemals trocknet, kein Lächeln, das für immer bleibt." 
                                                                      - Da vorne wartet die Zeit, S.12

da vorne wartet die Zeit
Von Lilly Lindner

Sprache: deutsch
Seitenanzahl: 268 Seiten
Preis: 12,99 €
Verlag: DROEMER


ISBN: 978-3-426-22640-7

Inhalt:

Die Menschen in der Stadt am Waldrand. Sie leben miteinander, sie leben nebeneinander her, sie sind allein, sie sterben - und doch hängen sie und ihre Schicksale alle zusammen: Der Kriminalpolizist, der einer grausamen Entführungsserie auf der Spur ist, das Mädchen aus gutem Hause mit dem unsagbaren Geheimnis, der weise Forscher der Zeit und die Mutter, die ihre kleine Tochter verliert. Sie alle leben in der Stadt am Waldrand, und sie alle sind mit dem Tod konfrontiert. Und mit der Zeit, die sich in der Unendlichkeit verliert. 

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Mein Eindruck


Geschichte: Bei diesem Buch kann man eindeutig nicht von EINER Geschichte sprechen. Vielmehr sind es 35 Kurzgeschichten, alle über das Leben (und/oder das Sterben) ihrer Hauptfiguren und mit geschickt eingebauten Elementen die sie mit den Personen aus den anderen Geschichten verbinden. Häufig wird eine Geschichte erst dann verständlich, wenn man vorher oder nachher die Geschichte eines anderen Charakters gelesen hat. Und in jeder dieser Geschichten spielt die Zeit eine wichtige Rolle. 

Charaktere: Davon gibt es ganze 31 Stück + neben Statisten. Alle Unterschiedlich, alle durchdacht, jeder mit Schwächen, Stärken, Geheimnissen und einer ergreifenden Geschichte. Zu manch einen entwickelt man sofort eine unbändige Sympathie, andere sind einem von dem ersten Satz an suspekt wenn nicht gar zuwider. Ich wage außerdem zu behaupten, dass sich JEDER Leser in irgendeiner der Personen wiederfinden kann. 

Sprachstil: Hach, davon könnte ich studenlang schwärmen! Ich steh auf Lilly Lindners Schreibstil. Ich mag die verwirrenden Sätze. Ich mag den Eindruck, dass man ihren losgelassenen Gedanken folgt. Und ich mag wie sie Menschen und Situationen gleichzeitig ausgeschmückt und doch so... auf den Punkt gebracht beschreibt. Auffällig ist, dass Lilly nun mehr mit der Interpunktion spielt. Sie setzt leidenschaftlich gern Punkte an Stellen, wo der Satz eigentlich gar nicht hätte enden dürfen. Und dadurch wird er umso prägnanter und ausdrucksstarker. 

"Und sie weiß: Es gibt ein Glück, dass niemand zu benennen vermag, es gibt Augenblicke, die alles andere überblenden, es gibt Schönheiten, die man kaum begreifen kann.

Und es gibt Abschiede. 
Die man niemals. 
Vergisst."  
 - da vorne wartet die Zeit, S. 221


Spannung: Es gab durchaus Momente, wo mir der Atem gestockt ist, als ich begriff in welche Richtung sich die Geschichte entwickelt, als ich erkannt hab mit welcher Geschichte es in Verbindung steht. Im Grunde ist das kein hochspannendes Buch. Eher eins dass die Neugierde anregt. Und wenn sie gestillt wird, hat man häufig das Gefühl gehabt dass man nicht mehr Atmen kann...

Layout: Das Buch gefällt mir richtig gut. Das Cover wurde auch bei diesem Buch im typischen "Lindner" Stil gestaltet. Wie die beiden Bücher von Lilly zuvor ist das Cover dreifarbig - schwarz, weiß und ein Farbe die sich zwischen blau und türkis bewegt. Die Größe und das Gewicht empfinde ich persönlich als sehr handlich und angenehm, Das innere des Buches ist auch angenehm gestaltet. Das Bild vom Cover von dem Mädchen taucht im Buch noch zwei Mal auf und jede Kapitelzahl wird von dem Vogelschwarm umgeben, der auch schon das Cover schmückt. Die Schrift bleibt fast durchgehend die selbe, bis auf ein paar wenige Ausnahmen in denen der Text kursiv steht. Angenehm zu lesen und angenehm für die Augen. 

Fazit: Ich mag es wenn meine hohen Erwartungen an ein Buch auch erfüllt werden. Und all die Vorfreude, die ich seit der Vorbestellung des Buches hatte, hat sich gelohnt. Denn das Buch ist ein weiteres Kunstwerk das Lilly geschaffen hat, gewaltig in der Sprache, mit wunderbaren Bildern und - was diesem Buch seine ganz besondere Note verleiht - mit all diesen Weisheiten über die Zeit. Zwischendurch musste ich das Buch weglegen und die Geschichten verarbeiten, denn so manche ließ mich sehr nachdenklich zurück. Manchmal ergriff mich so eine tiefe Traurigkeit, dass ich gar nicht wusste was ich mit dieser Traurigkeit anstellen soll. Denn das Buch handelt vom Tod. Von vielen Toden. Von vielen Leben. Doch wie es schon ein Kleiner Junge in dem Buch festgestellt hat: "[Und] eine Geschichte, in der ganz viel Tod vorkommt, die muss auch voll mit Leben sein. Weil das beides zusammengehört" (S. 174)

Und in dem Sinne ~ es ist ein wunderbares Buch über den Tod. Oder das Leben. Und die Zeit.

Lieblingsstelle: Kapitel 20 und Kapitel 27

Sterne: 5 von 5

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